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Freitag, 09.12.2022

Heute ist wieder Vorlesezeit:

Der Weihnachtszug

In einem Bahnposten wohnte vor vielen Jahren der Bahnwärter Wassil mit seiner kleinen Tochter Malina. Seine Aufgabe war es, die gefährliche Bahnstrecke mit den vielen Tunnels, eingeklemmt zwischen hohen Bergen, zu überwachen.

Auch an jenem Nachmittag vor dem Heiligen Abend überprüfte Wassil die Bahnstrecke. Malina schmückte inzwischen den Christbaum mit selbst gebastelten Sternen. Sie freute sich auf das Geschenk, das ihr der Vater versprochen hatte.

Plötzlich hörte sie ein schreckliches Donnern. Der Hund Belo begann zu jaulen und an der Tür zu kratzen. „Das kann nur ein Felssturz sein!“, rief Malina und rannte angsterfüllt hinaus.

Tatsächlich, mitten auf den Schienen lag ein riesiger Felsblock. Malina war verzweifelt. „Der Express kommt doch in einer halben Stunde! Was soll ich jetzt tun? Was würde Papa machen? Ich muss den Lockführer warnen!“ Schnell überlegte sie und eilte ins Haus zurück.

„Vierhundert Meter vor der Unglücksstelle ein Feuer zu machen und eine Laterne schwenken“, so sagte Papa doch immer. Kurz entschlossen packte sie den Weihnachtsbaum, achtete nicht auf den Schmuck und riss die große Eisenbahnlaterne vom Haken. Dann rannte sie nur noch. Es blieb ihr kaum eine Viertelstunde Zeit. Mit der angezündeten roten Laterne stolperte sie atemlos durch den Tunnel, dann wieder hinaus und immer weiter zwischen den Gleisen, bis sie den Ausgang des zweiten Tunnels vor sich sah. Schon hörte sie den Zug kommen. Rasch zündete sie ihren Weihnachtsbaum an, und schon schoss der Express aus dem schwarzen Loch, rasend und donnernd wie immer.

Da zuckte der Lockführer vor Schreck zusammen. Vorne sah er ein helles Feuer und ein Kind, das eine große Laterne schwenkte. Im Nu schloss er den Dampfregler und zog die Notbremse. Die Sirene heulte. Der schwere Zug zitterte und kam kreischend und keuchend allmählich zum Stehen.

In den Luxus-Salonwagen flog alles durcheinander: Fahrgäste, Kellner, Suppenschüsseln, gebratene Fische, Torten …!

Das war eine Sache!

Direkt vor Malina blieb die riesige, fauchende Lokomotive stehen. Der Lockführer und der Zugführer sprangen aus dem Zug und rannten auf das Mädchen zu. Der Lockführer erkannte es.

„Da vorne, vor dem großen Tunnel, ist ein Fels heruntergestürzt! Deshalb musste ich den Zug anhalten“, erklärte Malina. Die beiden Männer erstarrten.

Inzwischen ging die Nachricht vom Felssturz durch den ganzen Zug, und bald wusste jeder, dass die kleine Malina alle gerettet hatte.

„Das Kind ist doch halb erfroren!“, rief jemand, nahm Malina bei der Hand und führte sie in den gut geheizten Speisewagen.

Die Fahrgäste besprachen sich leise und geheimnisvoll, und plötzlich war Malina von Geschenken überhäuft. Dann stand ihr Vater in der Tür. In den Händen trug er ein schneeweißes Lämmchen mit schwarzen Flecken hinter den Ohren. Sie rannte zu ihm. Das war ihr Weihnachtsgeschenk. „Komm Papa“, sagte sie, „wir gehen nach Hause; Belo wartet sicher schon.“

Der Zugführer brachte ihnen als Dank einen neuen Christbaum, den er am Bahndamm abgeschnitten hatte, und nun endlich konnten sie Weihnachten feiern.

Woher ich das alles weiß? Ganz einfach: Auch ich habe einmal Weihnachten in diesem Bahnposten gefeiert, zusammen mit meiner Tante Malina und meinem Großvater, dem Bahnwärter Wassil.

Ivan Gantschev

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